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Veysi Özgür

Kurdische Tänze - Eine Abhandlung

Tanz und Identität sind eng miteinander verbunden. Tanz ermöglicht es Menschen, ihre Identität auf verschiedene Weise auszudrücken und zu erforschen. Dabei können individuelle, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte der Identität zum Ausdruck gebracht werden.

Individuelle Identität im Tanz kann durch die Wahl von Bewegungen, Stilen und Ausdrucksformen dargestellt werden. Jede/r Tanzende/r hat eine ganz eigene Art zu tanzen, die ihre/seine Persönlichkeit und ihre/sein Selbst ausdrückt. Der Tanz kann helfen, die eigene Identität zu entdecken und zu verstärken, sich sicher zu fühlen und sich auszudrücken.

Auch kulturelle Identität kann zum Ausdruck gebracht werden. Jede Kultur hat ihre eigenen Tanztraditionen, die spezifische Bewegungen, Rhythmen und Ausdrucksformen beinhalten. Durch Tanz können Menschen ihre Kultur und ihre Herkunft ausdrücken und vermitteln, ohne nach stimmigen Worten suchen zu müssen. Tanz ermöglicht es, kulturelle Barrieren zu überwinden und ein tieferes Verständnis für andere Kulturen zu entwickeln.

Darüber hinaus kann Tanz zur Weiterentwicklung und Neu-Konstruktion von Identität beitragen. Menschen können verschiedene Tanzstile und Techniken aus verschiedenen Traditionen und Kulturen erlernen und kombinieren. Dies kann zur Entwicklung einer hybriden Identität führen, die verschiedene kulturelle Einflüsse und Erfahrungen widerspiegelt. Die Chance für jede und jeden einzelne/n liegt hier in der Kompetenz, durch den Rückgriff auf verschiedene kulturelle Erfahrungen mehr Ressourcen für die eigene Handlungsfähigkeit entwickeln und somit flexibler und weitsichtiger auf die Anforderungen des modernen Lebens reagieren zu können.

Insgesamt ist Tanz ein wichtiges Medium zur Erforschung, zur Entwicklung und zum Ausdruck von Identität – sowohl individueller als auch kultureller/gesellschaftlicher – und ein kraftvolles kollektives Element im Widerstand gegen Unterdrückung und Verleugnung der Kurdinnen und Kurden.

Sonne, Feuer und Kreis

Rhythmische Bewegungen von Menschen und Lebewesen existieren von Anbeginn der Erde an. Die Form der Tänze war jedoch am Anfang anders und entwickelte sich über die Jahrhunderte weiter.

Tänze und Bewegung dienten immer schon als Kommunikations- und unmittelbares Ausdrucksmittel der Menschen, um ihre Emotionen, ihren Glauben, ihre Erlebnisse und Erfahrungen auszudrücken und einander mitzuteilen. Mit der Entwicklung der Menschen und Gesellschaften haben sich auch deren Tänze entwickelt, gegenseitig beeinflusst und verändert. Aber in ihrem Kern wurden bestimmte Elemente und Formen ursprünglicher Tänze bis heute weitergegeben. So gesehen erzählen uns die Tänze von unserer Geschichte und sie berichten uns von der Kultur und Lebensweise unserer Vorfahren.

Wir wissen, dass vor tausenden Jahren im geographischen Kurdistan – ursprünglich Mesopotamien -, also in Gegenden, in denen Kurdinnen und Kurden auch heute noch leben, Gesellschaften, Stämme und Menschen gesiedelt haben, die an mehrere Gottheiten und die Zeichen der Natur geglaubt haben.

Eine der mächtigsten Gottheiten war die Sonne und deren Erscheinungsform auf der Erde: das Feuer.

Aus verschiedenen Überlieferungen ist bekannt, welch große Rolle die Sonne auch für die Kurdinnen und Kurden historisch spielte.

 

Zwei Beispiele:

  1. Eines der ältesten schriftliche Abkommen der Menschen ist das Friedensabkommen zwischen Hethitern und Ägyptern 1259 v. Chr. Die Hethiter und Ägypter befanden sich damals im Krieg miteinander und dieser große Krieg fand auf dem Boden des geographischen Kurdistans statt. Beim Abschluss des Friedensvertrags werden die Götter beider Reiche zur Zeugenschaft über den Vertrag berufen, darunter auch die Sonne. Eine Kopie des Vertragstextes ist heute im UN-Gebäude in New York ausgestellt und gilt als erstes dokumentiertes Friedensabkommen der Menschheit.[1]

  2. In einer weiteren schriftlichen Überlieferung wird folgendes Ereignis berichtet: im Mai 585 v. Chr. kam es im Bereich des Flusses Halys  in Nordkurdistan während einer Schlacht zwischen den verfeindeten Armeen der Lyder und der Meder - Vorfahren des kurdischen Volkes - nach bereits 6 Jahren andauerndem Krieg zu einer totalen Sonnenfinsternis. Als sich der Himmel verdunkelte, ließen die Kämpfenden augenblicklich die Waffen fallen. Nach ihrer Interpretation bedeutete dies ein Zeichen der Gottheit Sonne, dass die Götter keinen Krieg wollen.[2]

 

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84gyptisch-Hethitischer_Friedensvertrag

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_am_Halys

Die Sonne und das Feuer spielen für die Menschen in Kurdistan bis heute eine große Rolle:

  1. Die Menschen tanzten früher kreisförmig um das Feuer, um der Gottheit Sonne, deren Verkörperung auf Erden das Feuer darstellt, zu huldigen. Diese Form des Tanzes stellt den Ursprung des heutigen Kreistanzes dar. Govend, d.h. kurdischer Tanz, wird bis heute im Kreis getanzt.

  2. Die Sonne befindet sich in der historischen Flagge Kurdistans.

Geschichte und Bedeutung kurdischer Tänze

Archäologische Funde in Kurdistan

Mit der Entstehung der jungsteinzeitlichen Kultur im geographischen Kurdistan vor etwa 10 000 Jahren sind auch Abbildungen von Kreistänzen zu finden. Letztendlich wird überall auf der Welt und bei fast allen Tänzen ‚im Kreis‘ getanzt. Die ältesten Abbildungen dieser Kreistänze stammen aus dem geographischen Kurdistan. Da es zu dieser Zeit in diesen Regionen noch keine Keramik gab, sind es Steinritzungen, Steingravuren oder Abbildungen auf Gipsböden. Ab dem 7. Jt.v. unserer Zeitrechnung kommen auch Tanzszenen auf keramischen Funden dazu.[1] In den Abbildungen der Xelef- und Samarra- Kulturen des geographischen Westkurdistans (Rojawa) aus dem 6. Jt. v. unserer Zeitrechnung sind Darstellungen von Kreistänzen mit einem Anteil von 93% zu finden. Die große Zahl von Darstellungen dieser Gemeinschaftstänze deutet auf die wichtige Rolle der Kreistänze zu Beginn der Jungsteinzeit mit der damit verbundenen Sesshaftigkeit und einer beginnenden Landwirtschaft hin.

[1] Dr. Michael Hepp, Von der Steinzeit zur Neuzeit - ein Überblick über die Tanzgeschichte Westeurasiens, März 2022, S. 10

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Bei der Abbildung der Geschlechter gibt es keine wesentlichen Unterschiede. Falls man

Frauen oder Männer überhaupt erkennen kann, sind beide Geschlechter ähnlich oft abgebildet.“

Bei der überwiegenden Anzahl der Abbildungen ist unklar, welches Geschlecht gemeint ist. „Dies spricht dafür, dass das Geschlecht in den Tanzabbildungen und beim Tanzen

insgesamt nicht ganz so wichtig zu sein scheint. Eine Dominanz der Männer bei den

Gemeinschaftstänzen dieser Zeit ist nicht zu erkennen.“[1]  [1] a.a.O, S. 12 f.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schriftliche Erwähnung kurdischer Tänze

Der kurdische Tanz – Govend – als solcher wird das erste Mal ausdrücklich in einer schriftlichen Überlieferung von Xenophon vor 2.500 Jahren, ca 400 v. Chr. in dem Buch Anabasis erwähnt:

Innerhalb des damaligen persischen Machtapparates kam es zu Streitigkeiten zwischen zwei Brüdern, welche um die Vorherrschaft in Persien kämpften.

Zur damaligen Zeit befand sich in Griechenland eine große Söldnerarmee, welche für Geld oder andere Reichtümer, zum Kämpfen angeheuert werden konnte.

Einer der Brüder bezahlte die Söldner aus Griechenland - über 10.000 Soldaten – um für ihn zu kämpfen. Jedoch kam es bei deren Ankunft am abgemachten Treffpunkt zu keinen Kampfhandlungen, da ihr Auftraggeber bereits besiegt war. Die Söldner müssen nun den Rückzug antreten und kamen hierbei durch die historischen Gebiete Kurdistans. Xenophon war zum  Hauptkomandanten der Söldnerarmee gewählt worden und berichtete während des Rückzugs in seinem Tagebuch von dem Volk der „Karduchen“, gemeint: der Kurden.

Diese verteidigten sich nach seiner Darstellung mit großem Mut und mit großer Entschlossenheit gegen das Eindringen der Söldner in ihre Gebiete. Er berichtete, dass die kurdischen Kämpfenden vor dem Beginn des Kampfes immer wieder zusammen tanzten und sangen. Dies ist die erste schriftliche Erwähnung von Govend, dem kurdischen Tanz. Sie zeigt, welche Bedeutung der Tanz für die Kurdinnen und Kurden schon früher unter anderem bei der Verteidigung ihrer Existenz und im Widerstandskampf gespielt hat.

Bedeutung und Aneignung der eigenen kurdischen Geschichte

Es existieren fast keine schriftlichen Überlieferungen zur kurdischen Geschichte und Kultur einschließlich kurdischer Tänze, die von Kurdinnen und Kurden selbst verfasst wurden.

Es waren immer die Herrschenden und die Unterdrücker, die Geschichte schrieben. Deren Überlieferungen sind jedoch meistens manipuliert und geben nur ihre eigene Sicht wieder, die nicht selten darin bestand, die kurdische Existenz zu leugnen und deren Geschichte und Kultur auszulöschen. Die kurdische Kultur geht in diesen Überlieferungen unter und wird als türkische oder arabische oder persische Kultur wiedergegeben, so dass es schwer ist, die tatsächlichen Wurzeln kurdischen Lebens wieder zu finden. Selbst heute noch gelten viele Lieder oder Tänze, die ursprünglich kurdisch oder armenisch oder assyrisch waren als türkisch, arabisch oder persisch.

Wenn eine ganze Kultur durch Verleugnung und Verschweigen oder durch kulturelle Aneignung der jeweils herrschenden nationalen Regime ausgelöscht werden soll, heißt das Ethnozid.

Deswegen ist es so wichtig, sich seiner kurdischen Wurzeln, Geschichte und Kultur bewusst zu sein und sie zu kennen: damit das Kalkül der herrschenden politischen Regime nicht aufgeht und wir Kurdinnen und Kurden nicht völlig aus der Geschichte verschwinden.

Im Gegensatz zu schriftlichen existieren jedoch viele mündliche Überlieferungen von Kurdinnen und Kurden selbst. Diese werden mündlich als Geschichten oder Märchen von Generation zu Generation weitergegeben und in all diesen mündlichen Überlieferungen finden Tänze und Tanzen, ja das tage- und nächtelange Tanzen - immer wieder Erwähnung.

Die Kurdinnen und Kurden tanzten zusammen aus Freude, aber auch aus Trauer, sie tanzten bei Feierlichkeiten, als Teil religiöser Zeremonien, um die Jahreszeiten zu begrüßen oder als Vorbereitung auf den Kampf, Kampf sowohl im Sinne von Arbeit und harten Lebensbedingungen, als auch im Sinne von Krieg und Widerstand. Die Menschen tanzten zusammen im Kreis und hielten sich an den Händen, um sich gegenseitig Kraft zu geben und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Wer so zusammen tanzt, kann nicht gegeneinander kämpfen.

Unsere heutigen Tänze enthalten viele Elemente des damaligen Lebens. Sie berichten von Göttern und Göttinnen, von der Art des Glaubens, wie die Menschen von der Natur beeinflusst wurden, von Tieren und vom Leben und Arbeiten der Menschen, von der Liebe und von ihrem Kampf und Widerstand. All dies wurde über ihre Tänze zum Ausdruck gebracht.

Schauen wir uns ein paar dieser Tänze an.

Darstellung und Hintergrund einzelner Tänze/Beispiele:

1-           Girani (Klage und Trauer)

2-           Ello Dîno (der kurdische Robin Hood)

3-           Kocgirî (Szenen aus dem Arbeitsalltag von Frauen: Bearbeitung von Schafswolle)

4-           Halperke (aus Rojhilat)

5-           Xelef (Aufruf, zusammen zu stehen und kein Kollaborateur zu sein, aus Botan)

 

Tänze zum Vorführen/ Auftrittsgruppe/Beispiele:

  1. Şêxanî: Tanz der christliche Minderheit der Assyrer*innen auch bekannt als: Aramäer*innen, Chaldäer*innen in  Mesepotamien/ Kurdistan die sich in der eigenen Sprache als „Suryoye oder Suraye“ (West-/Ostdialekt) bezeichnen. Durch die Herrscherstaaten immer verfolgt. Neu interpretiert durch den Einschub von Drehbewegungen.

  2. Şêxanî Şemzinan: Semzinan Gebiet in der Region Botan – Gegend in Nordkurdistan und Südkurdistan geteilt durch die irakische Grenzziehung  – Botan war immer schon das Zentrum des kurdischen Widerstands - Getanzt zu neuer Musik, einer Art Hip Hop

  3. Heleber: nach kurdischer Tradition zum Ausklang eines Festes getanzt

  4. Soranî: abgeleitet aus alten kurdischen Gebrächen und religiösen Zeremonien vor der Zeit der Islamisierung

  5. Zifkiro: den Bewegungen zu Grunde liegend ist die frühere Erntearbeit, das Sensen des reifen Getreides, kurdischer Tanz zu armenischer Musik mit Einschub von Hip Hop Elementen

 

März.2024

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Liedertexte und Hintergründe, Deutsch 

1. Şêxanî                                                                      
2. Ez Xelef im
3.Elo Dîno

Tanz und Lied:    Şêxanî

„Nach Şêxan`s Art“

(von: Jutta Hermanns/GovendaKÎ (Govenda Kurdî-Înternational))

 

Hay şêxanî şexanî li ser bextê min tu ciwanî    

Hay şêxanî şexanî li ser bextê min tu ciwanî (5 mal)   

Mala me li odê danî mala me li mezrê danî (2 mal)

Hay şexanî şêxanî li ser bextê min tu ciwanî (3 mal)   

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şêxanî (3 mal)  

Mala me li odê danî mala me li mezrê danî

Mala me li odê danî tara xaru ya banî (2 mal)      

Hay şêxanî şexanî li ser bextê min tu ciwanî    

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şêxanî (3 mal)  

Hay şêxanî şexanî li ser bextê min tu ciwanî    

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şêxanî (3 mal)  

******

Hey şexanî, şexanî bei all meiner Aufrichtigkeit:

Du bist schön           

Hey şexanî, şexanî bei all meiner Aufrichtigkeit:

Du bist schön   

Wir bauen unsere Zelte in der Wildnis auf   

Hey şexanî, şexanî bei all meiner Aufrichtigkeit:

Du bist schön     

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şexanî (Freude)

Wir bauen unsere Zelte in der Wildnis auf   

Wir bauen unsere Zelte an steilen Berghängen auf

Hey şexanî, şexanî bei all meiner Aufrichtigkeit:

Du bist schön           

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şexanî (Freude)

Hey şexanî, şexanî bei all meiner Aufrichtigkeit:

Du bist schön           

Delîloy loy loy Delîloy loy loy Delîloy loy loy şexanî (Freude)

Über Şêxan (englisch: Sheikhan oder Shekhan)

 

Şêxan ist eine Nachbargegend östlich von Şengal und liegt in Südkurdistan. Şêxan ist mit Şengal nach wie vor eines der Hauptsiedlungsgebiete der Yeziden.

Bei der kurdisch-yezidischen Bevölkerung der Region Şengal und Şêxan handelt es sich um die noch yezidisch gebliebenen Überreste der großen kurdischen Stämme.

Die einst so einflussreichen Stämme in Kurdistan wurden im Laufe der Jahrhunderte nach und nach zwangsislamisiert oder sie konvertierten zum Teil auch selbst zum Islam, so dass der yezidisch gebliebene Teil sich von ihnen abspaltete und sich in den Gebieten um Şengal und Şêxan niederließ.

Diese Stämme bildeten einst eine große Konföderation namens Dasnî, die jetzt in viele kleine Konföderationen zerfallen ist.

 

Die Yeziden wurden im Laufe der Geschichte immer wieder brutal verfolgt. Viele verschiedene Herrscher und politische Kräfte versuchten, die Yeziden zu vernichten und auszulöschen. Auch ihre Heimat Şêxan wurde mehrmals im Laufe der Geschichte dem Erdboden gleichgemacht und mit Massakern überzogen. Zuletzt war es die Terrorgruppe IS, die unendliches Leid und Zerstörung über die  yezidische Bevölkerung brachte. Einer der Gründe der Jahrhunderte langen Verfolgung der Yeziden liegt in ihrer Religion, die zu keiner der  klassischen sogenannten „Buchreligionen“ zählt.

 

Tiere spielen auf Grund des naturreligiösen Charakters der yezidischen Religion in der Mythologie und im Alltag der Yeziden eine besondere Rolle. Tiere bilden zusammen mit den Menschen und der Natur eine Einheit. Es existieren Ge- und Verbote, religiöse Zeremonien und Symboliken, die unmittelbar einem Tier zugeordnet sind. Insbesondere ist hier der Pfau zu nennen, der als Königssymbol des Tawisî Melek dient. Die Schlange ist ebenfalls eines dieser Tiere.

 

Die Schlange im Mithraismus wurde von vielen Wissenschaftlern als Symbol der Bewegung und Entwicklung bezeichnet. Eine der hervorstechendsten Eigenschaften der Schlange in der yezidischen Mythologie ist jedoch ihre Funktion als Beschützer und Richter. Die Schlange beschützt die guten Menschen und soll die Bösen bestrafen, unabhängig von der Religionszugehörigkeit.[1]

Die Yeziden kehrten trotz der vielen historischen Versuche, sie zu vernichten, immer wieder in ihre Hauptsiedlungsgebiete Şengal und Şêxan zurück und verteidigten ihre Heimat, Kultur und Religion vor dem Untergang.

Der Tanz "Sexani" ist ein typischer Tanz der kurdisch-yezidischen Nomaden.

Dieser Tanz stellt vom Text des Liedes sowie von seiner Dynamik und den Bewegungen her eine Hymne an die Heimat der Yeziden – an Şêxan - dar.

Der Buchstabe -î- am Ende von Şêxan bedeutet „nach Art von...“.

Übersetzt hieße der Tanz Şêxanî also:„Nach Şêxan`s Art“.

Quelle: Sarrafian brothers of Beirut, http://mideastimage.com/

[1]           „Mythos und Legende der Şêx Mend und das Symbol der Schlange“,

              Dîar Khalaf und Hayrî Demir , 10.01.13 – Bielefeld - Hannover
 

 

 

 


 

Lied und Tanz: „Ez Xelef im“ (Ich bin Xelef)

(von: Jutta Hermanns/GovendaKÎ

(Govenda Kurdî-Înternational))

Hintergrund:

Die kurdischen Emirate und ihre Fürsten (Mîr) waren auf Grund zum Teil sehr gegensätzlicher Macht- Interessen nicht in der Lage, sich gegen die Einverleibung in den Herrschaftsbereich des Osmanischen Reichs zu widersetzen. Es existierten viele kurdische Emirate mit jeweils unterschiedlichen Stämmen und eigenen Stammesführern (Agas,) Verwaltungsstrukturen, Privilegien und Interessen. Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ein zunehmender Zerfall des Osmanischen Reichs zu beobachten, was zur Stärkung unterschwellig vorhandener Autonomiebestrebungen der unterworfenen Bevölkerungen führte, aber auch zu einem zunehmenden europäischen Einfluss. Das größte kurdische Emirat BOTAN bestand zu dieser Zeit aus drei Gebieten,welche von drei Brüdern beherrscht wurden, die kein Interesse an einem Zusammenschluss hatten und die Stämme - viele davon Nomaden - für ihre eigenen Interessen gegeneinander kämpfen ließen. 1821 wurde der bekannte kurdischeMîr Bedirxan Fürst über Botan und Behdinan und vereinte die gegen einander kämpfenden Stämme - zum Teil durch Überzeugung und Verteilung von Einflusssphären, zum Teil mit Gewalt. Er herrschte mit harter Hand über das große Emirat, schaffte es aber, Botan und Behdinan in ein sicheres Gebiet für die dort Lebenden zu verwandeln und sie zu einen. Andererseits wird ihm nachgesagt, dass er bei der Bekämpfung von Christen (Nestorianern) und der Niederwerfung yezidischer Stämme eine unrühmliche Rolle spielte. Er führte aber auch ein System der Mitsprache und Befragung der bedeutenden Stammesführer (Agas) und Fürsten der anderen Emirate zu allen wichtigen Entscheidungen ein, so dass er diese an sich binden konnte. Die letztendliche Entscheidungsmacht behielt er sich jedoch selbst vor.

 

Bedirxan schloss Bündnisse mit vielen anderen kurdischen Fürsten und Stammesführern in ganz Kurdistan und richtete zudem ein zentrales kurdisches Eliteregiment ein, dessen Soldaten nunmehr nicht mehr den zersplitterten Stämmen sondern der zentralen Befehlsgewalt des Mîr Bedirxan unterstanden. Der Zentralgewalt des Osmanische Reichs war die Politik Bedirxans jedoch ein Dorn im Auge, da sie ihren Einfluss in den kurdischen Provinzen schwinden sahen. Sie versuchten nun, Bedrixans Macht einzuschränken. Durch das Sprengen von Brücken konnte erreicht werden, dass viele kurdische Verbände, die zur Hilfe eilen wollten, nicht durchkamen. Noch entmachteten sie ihn jedoch nicht vollständig.

Nach der Niederlage der Osmanen gegen die ägyptischen Truppen Ibrahim Paschas 1839 begann Mîr Bedirxan zusammen mit den vereinten kurdischen Stämmen mit der offenen Rebellion gegen das Osmanische Reich und weitete seinen Einflussbereich aus, der 1845 von Diyarbakir über Mosul bis zur persischen Grenze reichen sollte. Oft wird dies als der Beginn eines Kampfes für die Unabhängigkeit Kurdistans bezeichnet. Das Osmanische Reich schickte nun auf Drängen und mit Rückendeckung der europäischen Staaten weit überlegene Truppen, um die unter Bedirxan entstandene quasi-autonome Machtzone niederzuschlagen.

 

Ein Neffe des Bedirxan namens Ezdin Ser lief zu den Osmanen über, wovon er sich spätere Macht und größeren Einfluss versprach, und trug so zum Untergang der geeinten Kräfte unter Bedirxan bei. Die Osmanen verbannten Bedirxan, der sich nach längerer Belagerung der Stadt Ewrex der Übermacht ergab, erst nach Istanbul und dann nach Girit. Hiernach zerfiel das kurdische Emirat sogleich in viele einzelne und

sich einander bekriegende Gebiete und Stämme.[1]

Während Ezdin Ser mit seinen Truppen bereits auf Seiten der Osmanen kämpfte, rief ein Kommandant der Armeen Bedirxan´s mit Namen Xelef Suvi den Abtrünnigen auf, zurückzukommen, sich seiner kurdischen Herkunft und Stellung zu erinnern und gemeinsam gegen die Osmanen zu kämpfen. So spricht er ihn im Lied mit „Fürst von Botan“ an.

Doch Ezdin Ser blieb auf Seiten der Osmanen und der Untergang des großen kurdischen Emirats von Bedirxan war besiegelt.

So entstand eines der wohl berühmtesten Tanzlieder der Region Botan, nämlich „Ez Xelef ìm“, welches während der Belagerung von Ewrex verfasst, gesungen und getanzt wurde.

Der Kommandant Xelef verfasste und sang dieses Lied, um seine Soldaten anzuspornen, auch, als der Untergang bereits sichtbar wurde und um den Abtrünnigen Ezdin Ser daran zu erinnern, dass er auf der falschen Seite kämpfe.

Thematisch ruft das Lied zur Einheit und zum Zusammenhalt der Kurden auf.

Eine weitere Aussage des Liedes – der Verrat von Kurden durch Kurden für Macht und Einfluss - wird durch eine Anekdote erzählt[2].

„Bedirxan Beg fragt seinen Diener Elo, wie die Lage des Krieges sei, ob es Aussichten für den Erfolg seines Widerstandes gebe. Elo antwortet, dass er eine gute und eine schlechte Nachricht

für den Fürsten habe. Die erste Nachricht sei, dass die Kurden an sich in der Lage wären, die

Armee der Osmanen bis nach Istanbul zu verjagen.

Die schlechte Nachricht dagegen sei, dass die äußeren Staaten Kurden sehr leicht kaufen könnten. „Sie haben schon früh gelernt die Kurden zu kaufen...Gott möge das

Haus des Verrats zum Einsturz bringen (und) die Einheit der Kurden schaffen - der Verrat der Kurden wiegt schwer: dadurch werden Kurden durch die Hände der Kurden getötet.““

Übersetzung des Liedes „Ez Xelef`im“:

Ich bin Xelef, ich bin Xelef

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Ich bin Xelef, ich bin Xelef

Ezdin Ser, Fürst von Botan

Mein Schwert ist perlmutverziert

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Mein Schwert ist perlmutverziert

Ezdin Ser, Fürst von Botan

Unter den Stämmen bin ich der Mächtige

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Unter den Stämmen habe ich das Sagen

Ezdin Ser, Fürst von Botan

 

Ich bin der klein gewachsene Xelef

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Ich bin der klein gewachsene Xelef

Ezdin Ser, Fürst von Botan

Mein Schwert ist aus Silber

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Mein Schwert ist aus Silber

Ezdin Ser, Fürst von Botan

Unter den Stämmen bin ich der Standhafte

Eile zur Hilfe oh Fürst, eile zur Hilfe Fürst

Unter den Stämmen bin ich die Hoffnung

Ezdin Ser, Fürst von Botan

[1]            van Bruinessen: Agha, Scheich und Staat - Politik und Gesellschaft Kurdistans, Verlag Edition Parabolis

            2 Lokman Turgut: Mündliche Literatur der Kurden in den Regionen Botan und Hekarî, Logos Verlag Berlin



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Lied und Tanz:

Elo Dîno“ (Der verrückte Elî)

 

Hintergrund:

Anfang des neunzehnten Jahrhunderts wurde Elî im Dorf Bafe bei Idil/Sirnak am schönen Fluss Tigris in Kurdistan als Kind armer Leute geboren und wuchs in bitterer Armut auf. Die osmanischen Herrscher und zum Teil die von ihnen eingesetzten  kurdischen Fürsten bereicherten sich schamlos an der armen Bevölkerung und lebten in Überfluss und Überflüssigem, während das einfache Volk zu Grunde ging.

 

Die Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die Elo Dîno jeden Tag miterleben musste, machten ihn von jungen Jahren an zornig. Dabei richtete sich seine Wut gleichermassen gegen die osmanischen Herrscher als gegen die von ihnen geduldeten und mit Vorteilen ausgestatteten kurdischen Fürsten und deren Clans.  Es war die Zeit des kurdischen Mir Mihamed von Botan, der von Elo Dîno als „schlimmer als die Osmanen“ bezeichnet wurde. Elo Dîno sammelte die jungen Leute seines Dorfes um sich und sie beschlossen, aktiv zu werden. Sie sperrten den Fluss Tigris auf Höhe ihres Dorfes und verlangten von nun an„Wegezoll“ von den reichen Händlern und Herrschenden, deren Handel über die Flosse auf dem Fluss den Herrschenden grenzenlosen Reichtum bescherte. Die Einnahmen verteilten Elo Dîno und seine Leute an die Armen der anliegenden kurdischen Gebiete Botans und schon bald war Elo Dîno als eine Art kurdischer „Robin Hood“ bei der ganzen Bevölkerung bekannt und beliebt. Er eroberte die Burg von Bafe und wohnte dort mit seinen Leuten. Diese „kurdischen Robin Hoods“, die den Reichtum auf Ihre Art von oben nach unten umverteilten, wurden in dieser Zeit immer mehr und wurden „eskiya“ genannt.

 

Die feinen Herren und reichen Händler beschwerten sich beim kurdischen Mir von Botan, Mihamed, welcher ihnen die Erlaubnis erteilte, Rache zu üben und Elo Dîno durch eine List gefangen zu nehmen. Sie bereiteten ein großes Floss vor und statteten es als „Hochzeitsboot“ aus, mit einer wunderschönen jungen Frau als Braut, mit Pauken und Flötenmusik (davul und zurna) und schickten es den Tigris hinauf zum Dorfe Elo Dînos. Dort angekommen wunderten sich die Leute, wessen Hochzeit gefeiert wird und Elo Dîno wandte sich an die Begleiter des Floßes, welche antworteten:

 

Der Fürst von Botan, Mihamed, dem nur Gutes über Euch berichtet wurde, lässt Euch diese junge Braut als Geschenk zukommen. Ihr wisst, dass es eine Todsünde und einen schweren Verstoß gegen die Traditionen Botan`s darstellen würde, das Geschenk eines Fürsten zurückzuweisen und Tod und Verderben über Euch und Euer Dorf bringen würde.

 

So sah sich Elo Dîno gezwungen, dieses „Geschenk“ zu akzeptieren und schon bald verlor er sich wie berauscht in den Armen der jungen Braut und schlief dann ein. Diesen Moment nutzten die Begleiter und führten das Floss zurück zum Herrschaftssitz des Fürsten, einer Burg in Birca Belek am Fluss Tigris wo Elo Dîno in Ketten gelegt und in den „Kerker Mem“ geworfen wurde. Dieser Kerker war sehr berüchtigt und hieß „Kerker Mem“, da schon der junge Mem aus dem bekannten kurdischen Nationalepos „Mem u Zin“ hier eingesperrt war.

Elo Dîno wurde erbarmungloser Folter ausgesetzt. Plötzlich erschien Mîr Mihamed während der Folter persönlich und fragte ihn: „Und, gibt es Schlimmeres als diesen Zustand, in dem Du Dich jetzt befindest und den Du nur Dir selber zu verdanken hast?“ Aber Elo Dîno antwortet ihm selbstbewusst:

„Ja, den gibt es. Wenn eines Tages ein Gast aus weiter Ferne Dein Haus betritt, vor Hunger geschwächt und Dich um nicht mehr als eine Schale Milch bittet. Und wenn Du ihm aber nicht einmal eine Schale Milch geben kannst, weil Du nichts hast, und beschämt den Gast hungrig und geschwächt weiterziehen lassen musst, ihn also in  den Tod ziehen lassen musst. Dies ist zweifellos noch schlimmer.“

Der Fürst erstarrte bei dieser Antwort beschämt. In seine Augen traten Tränen und er befahl seinen Folterknechten, sofort aufzuhören. Aber es war bereits zu spät. Elo Dîno starb an den Folgen der Folter und wurde fortan in diesem Lied und Tanz besungen.

Übersetzung des Liedes „Elo Dîno“:

Elo Dîno, Elo Dîno, Elo Dîno, Elo Dîno

Du Schöner mit schwarzem Schnurrbart

Elo Dîno, Herr Elî

macht, dass seine Gegner ihre Schwerter fallen lassen

Die Burg von Elî ist aus Marmor

Die Festung von Elî ist aus Marmor

Mit seinem Schwert ist er

kämpferisch und stark wie ein Widder

bettelarmer Elî, Herr Elî

Die Burg von Elî steht an der Wegeskreuzung

Die Festung von Elî liegt an der Wegeskreuzung

Man hört das Brüllen zweier Löwen

Der bettelarme Elî geht los, in der Hand sein Schwert

Man hört das Brüllen zweier Löwen ganz klar

Der bettelarme Elî kommt an, in der Hand sein Schwert

doch dort wurde er getötet

(von:Jutta Hermanns/GovendaKÎ (Govenda Kurdî-Înternational))

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